Beeindruckendes
Gastspiel des Nationaltheaters Donetsk mit Wagners Romantischer Oper in
Schweinfurt
Ein
Hochzeitsfoto, schwarz/weiß, oval geschnitten nach Art des Biedermeier. Niemand
wirkt glücklich, am wenigsten die Braut. Riesig beherrscht das Foto die Bühne,
lange, bevor die Oper beginnt. Eine Projektion, die schon alles enthält, was
Mara Kurotschkas Deutung von Richard Wagners „Fliegendem Holländer" ausmacht.
Das ist
erste deutschsprachige Aufführung der Romantischen Oper „Holländer" in der
Ukraine überhaupt. Derzeit ist die aufwändige deutsch-ukrainische Koproduktion
für vier Vorstellungen zu Gast am Theater Schweinfurt.
Was auf den
ersten Blick wie eine wilde, radikal freie Auslegung wirkt, entpuppt sich
schnell als verblüffend schlüssig. Mara Kurotschkas Holländer ist im wahrsten
Sinne wildromantisch, vor allem, weil die Berliner Regisseurin das Spannungsfeld
zwischen dem bürgerlichen Mief im Hause Daland und der tödlich
verheißungsvollen Macht des Meeres zum Dauerzustand macht.
Die Braut
ist Senta, die soeben gegen ihren Willen Erik geheiratet hat. Mit den ersten
Takten der Ouvertüre tritt die Hochzeitsgesellschaft auf dem Foto plötzlich
beiseite. Zurück bleibt eine einsame, unglückliche Frau, die den einzigen
Ausweg im Selbstmord sieht: Senta erschießt sich – alles, was nun folgt, ist
ihr fiebriger Todestraum.
In dem das
Meer die Hauptrolle spielt. Es kriecht unter Sentas Bett hervor, es dringt
durch Türen und Fenster, es wird zu Sentas Hochzeitskleid. Momme Hinrichs und
Torge Möller arbeiten in ihrem Bühnenbild mit starken Bildern. Grundlage bildet
eine schiefe Ebene aus dicken Planken. Die Kombination von Projektionen und
clever eingesetzten riesigen Tüchern zeitigt immer wieder atemberaubende
Effekte. Das Bett wirkt inmitten dieser Weltenstürme ein wenig wie die
Zeitmaschine von H. G. Wells. In ihm träumt sich Senta in die Kindheit zurück,
ihm entsteigen immer neue (Traum-)Gestalten – die Geistermannschaft des
Holländers, der Vater Daland, der bereit ist, seine Tochter zu verkaufen.
Der Fluch
des Holländers wird zum Symbol der Fremdbestimmung vor allem für Senta. Aus
einer eher schlichten Geistergeschichte wird mit magischen Mitteln ein
vielschichtiges, echtes menschliches Schicksal. Das ist gleichzeitig paradox
und höchst einleuchtend.
Die
Sängerbesetzung am Premierenabend steht dem in nichts nach: Der großartige
Walter Fink ist ein machtvoller Daland – gierig, verschlagen und gefährlich.
Stefan Stolls Holländer bleibt als Figur ein wenig blass, begeistert aber
stimmlich ebenso wie Fink. Tetyana Plekhanovas Senta ist die strahlende
Sopranistin. Und Vitaliy Kozin sorgt als Erik für einige Belcanto-Momente, wie
sie so wohl zum letzten Mal bei Wagner zu hören sind.
Deswegen
macht es das Geschehen auf der Bühne diesen Holländer zu einem ergreifenden
Erlebnis.
Weitere
Vorstellungen: Fr., Sa. und So., 22., 23. und 24. November, 19.30 Uhr. Karten:
Tel. (0 97 21) 51 49 55 und 51 0.
Von
unserem Redaktionsmitglied Mathias Wiedemann
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